Varanasi – die heilige Stadt

Ein kleiner Schock zur Begrüßung

Nach einer aufregenden Anreise (Bericht), sind wir um 14 Uhr endlich in Varanasi angekommen. Es war heiß, staubig und laut – kurz hatten wir Zweifel, ob wir uns richtig entschieden hatten die Fahrzeiten auf uns zu nehmen, um diese Stadt zu besichtigen. Eigentlich hatten wir so eine heilige Stadt irgendwie mystischer und ruhiger vorgestellt. Vielleicht etwas naiv, Varanasi gilt zwar als kleinere Stadt in Indien, hat aber trotzdem stolze 1,2 Millionen Einwohner! Wir nahmen uns eins der zahlreichen Tuktuk und fuhren so nah wie möglich an unsere Unterkunft heran. Da sich diese in der Altstadt, im autofreien Bereich befand, hieß es erst einmal suchen.

Einfach mal Vertrauen haben

Der Tuktukfahrer sagte, es würde ein Schild zu unserer Unterkunft zeigen und wir müssten einfach der Straße folgen. So ganz stimmte das aber nicht. Wir liefen die Straße in die genannte Richtung entlang und wimmelten immer wieder Leute ab, die uns etwas andrehen wollten. Irgendwann sprach uns ein Inder, wir nennen ihn mal Ali, auf sehr zurückhaltende Weise an und wir unterhielten uns kurz mit ihm. Wir fragten ihm nach den Weg und er bot uns an uns dorthin zu bringen. Von Hunger, Übermüdung und Hitze auf ein gewisses Level gebracht, sagte ich, dass ich kein Geld dafür ausgeben möchte. Er erzählte uns, dass er noch etwas für sein Karma machen wollte und wirklich nichts dafür haben möchte, außer vielleicht ein bisschen unterhalten.

Hochwasser und spontane Entscheidungen

Ali fragte uns nach unseren Plänen und wir erzählten, dass wir nachts schon weiterfahren würden und gerne eine Bootsfahrt auf dem Ganges machen und die Leichenverbrennung sehen wollen würden. Außerdem wollten wir ein wenig durch die Altstadt laufen, was leckeres Essen und abends die Aarti Zeremonie bewundern. Ali erzählte, dass wir keine Chance auf eine Bootsfahrt und die Aarti Zeremonie haben, da die letzten Tage ein ungewöhnliches Hochwasserereignis war. Wir waren erstmal etwas skeptisch, ob das wirklich stimmt, und wollten unsere Hosts der Unterkunft fragen. Ali bot an uns durch die Stadt zu führen, Tempel zu zeigen, zur Totenverbrennung zu bringen und ein bisschen über Geschichte und Kultur zu erzählen. Er sagte, wir könnten ihn bezahlen, oder eben nicht, dass würde er uns am Ende des Tages überlassen.

Stundenweise Unterkunft

Gunnar und ich berieten uns kurz und willigten dann ein. Wir hatten viel Zeit (6h) durch den Bus verloren und es war zeitlich schwierig noch nach Free Walking Touren zu schauen (bei denen man auch mindestens 5€ pro Person zahlt). Wir verabredeten uns mit Ali für 15:30 Uhr an unserer Unterkunft, sodass uns Zeit für eine Dusche und ein kleines Power Nap blieb. Es war interessant mal nur für 10 h eine Unterkunft zu beziehen, das hatte schon fast etwas Verruchtes.

Erstmal Essen

Zuerst baten wir Ali uns mit zu einem einheimischen Restaurant/Warung/Imbiss mitzunehme, nach Möglichkeit klimatisiert bat Gunnar drum. Unweit unserer Unterkunft wurden wir fündig und bestellten zweimal das traditionelle Dal Bhat. Beide die vegetarische Variante. Das schöne ist, dass jederzeit nachgefüllt wird! Für unsere hungrige Mägen eine richtige Wohltat! Es war mega günstig und super lecker, sodass wir ein großzügiges Trinkgeld gaben und frisch gestärkt ins Freie traten.

Altstadt von Varanasi

Bevor es richtig los ging, zeigte Ali uns die Ghats (Badetreppen), die vom Hochwasser fast vollständig überspült waren. Eigentlich geht es wohl noch etliche Stufen hinunter zum Ganges… Danach lief Ali mit uns durch die Altstadt und erzählte uns immer wieder mal etwas zu verschiedenen Bauwerken, Tempeln und Pflanzen. Es war wirklich spannend und beeindruckend. Wir waren super glücklich uns auf diese Tour eingelassen zu haben! Wir liefen durch enge Gassen, wichen Kühen und Motoradfahrern aus und schauten uns verschiedene Stätten an. Aus einem Tempel hörten wir Shanti Gesang und ich fragte, ob wir da ein paar Schritte reingehen könnten. Es war eine sehr intensive und auch emotionale Erfahrung und der Gesang der 30-40 Gläubigen in ihren orangenen Roben, löste eine Gänsehaut bei uns aus.

Nehmt das Geld oder ihr werdet vertrieben

Ali zeigte uns einen Ort, der früher noch mit Mehrfamilienhäusern bebaut war. Jetzt hat die Regierung die Gebäude zurückgekauft, allerdings nur, wenn das Gebäude offiziell errichtet wurde, und die, die nicht verkaufen wollten, vertrieben. Die Touristen und Pilgerzahlen steigen jedes Jahr immer weiter an und es gibt zu wenig Unterkünfte oder Aufenthaltsorte für diese. Deshalb wird zukünftig in dem Bereich, den wir uns angeschaut haben, eine Aufenthalts- und Raststätte für gläubige, einheimische Touristen erschaffen. Man möchte vermeiden, dass diese an den Bahnhöfen oder in den Straßen herumliegen.

Heilige, rituelle Leichenverbrennungen

Anschließend führte Ali uns zum eigentlichen Highlight, der Totenverbrennung in Varanasi. Im Hinduismus glaubt man, dass wer in Varanasi verbrannt und dem Ganges überführt wird, den Kreislauf der Wiedergeburt durchbrechen kann. Deshalb ist es für viele Gläubige erstrebenswert dort begraben zu werden. Für eine Familie ist das eine sehr kostspielige Sache, 200 kg Holz wird benötigt, um eine Leiche weitmöglichst zu verbrennen. Holz ist sehr teuer, deshalb werden Touristen, die durch diesen Ort geführt werden und auch oben die Verbrennung aus nächster Nähe sehen, anschließend gebeten einer Familie Geld für Holz zu spenden. Wir wussten vorher nicht, dass das so ist und hatten nicht viel Geld dabei. Andererseits gefiel es uns nicht, das immer wieder an unser Karma appelliert wurde. Wir spendeten eine Summe, mit der wir leben konnten falls das Geld doch woandershin ging, es sich also um eine Touristenzocke handelte. Wir glauben das ehrlich gesagt nicht, aber wer weiß das schon? In Varanasi, haben wir zumindest gelesen und gehört, muss man leider aufpassen! 

Wir haben eine Leiche gesehen

Als wir an diesem Ort waren und dem Sohn des „Priesters“ übergeben wurden, wurde uns der Prozess der Verbrennung und die Gründe dafür erklärt. Wir durften so viele Fragen stellen, wie wir wollten und davon machten wir natürlich auch gebrauch. Etwa drei Stunden braucht ein Körper bis er zum größten Teil verbrannt ist. Die Reste werden werden in den Ganges gestreut. Schwangere, Kinder unter 12 Jahren, Kühe, Büffel und die Sadhus (hinduistische Mönche) werden übrigens nicht verbrannt. Diese werden in der Mitte des Ganges mit einem Stein beschwert und versunken. Natürlich hält so ein Seil nicht ewig… Leichen oder Leichenteile bei einer Bootsfahrt zu sehen ist also gar nicht so unwahrscheinlich! Wir fanden es auf jeden Fall extrem faszinierend und irgendwie auch schön wie offen und frei mit dem Tod umgegangen wird. Nah an den Feuern zu stehen, eingewickelte Körper und auch mal einen herausschauenden Fuß zu sehen, war gar nicht so heftig wie erwartet. Es war allerdings extrem heiß! Auch das Gesicht einer alten, toten Frau haben wir gesehen, es kam uns aber an diesem Ort einfach nur natürlich vor! Weibliche Angehörige dürfen an der Zeremonie übrigens nicht teilnehmen, weil Trauer vor Ort nicht erlaubt ist und Frauen unterstellt wird, ihre Tränen nicht verbergen zu können.

Und noch ein Stoffladen

Anschließend wurden wir wieder Ali übergeben und bedankten uns für die tolle Führung. Auf der Frage nach ein freiwilliges Trinkgeld schüttelte Ali den Kopf, sodass wir uns nur mit einer winkenden Bewegung verabschiedeten. Ali fragte uns nach unseren Eindrücken und ergänzte noch ein paar Informationen. Anschließend fragte er uns, ob er uns noch zu seinem Cousin, der einen Stoffladen besitzt, bringen konnte und uns anschließend aber auch zurück zur Unterkunft bringen wollte. Wir waren gut drauf und wollten ihm auch gerne den gefallen tun. Wir sagten aber von vornherein, dass wir nichts kaufen wollten. Am Haus angekommen, wurden wir freudig begrüßt und genossen einen süßen, schwarzen Tee, während uns Ali´s Cousin seine Stoffstücke zeigte. Gunnar probierte ein paar Hemden und T-Shirts an, konnte sich aber nicht für irgendwas begeistern. Am Ende kaufte er eine super bequeme„Yogahose“, die er auf der Reise auch tatsächlich regelmäßig anzog.

Abschied aus Varanasi

Ali brachte uns anschließend zurück zur Unterkunft und wir verabschiedeten uns mit einem großzügigen Trinkgeld (wie wir seinem Gesicht entnahmen). Er hat uns den halben Tag in Varanasi wirklich sehr viel gezeigt, wir haben es geschafft alles zu sehen, was wir wollten! Zurück in der Unterkunft bestellten wir ein spätes Abendessen für 22:30 Uhr und legten uns, nach einer kleinen Dusche, noch etwas schlafen. Das Abendessen war dann super lecker und wir redeten viel mit der Besitzerin und ihrer Mutter. Irgendwann mussten wir uns dann auch dort verabschieden und wir liefen durch die Gassen zurück auf die Hauptstraße. Dort nahmen wir ein Tuktuk zum Bahnhof und informierten uns direkt, ob unser Zug wirklich fuhr. Ja – wir sind vorgeprägt!

Selfies und Polizeiaktion

Unser Zug fuhr, hatte jedoch 2-3 Stunden Verspätung. Mittlerweile tiefenentspannt vom Reisen, ließen wir uns dadurch nicht die Laune verderben. Wir suchten uns einen ruhigen Platz und setzten uns dort auf den Boden. Irgendwann kamen indische Jugendliche die Fotos mit uns machen wollten. Dem kamen wir nach und wir unterhielten uns viel mit ihnen. Irgendwann überzeugten sie uns, mit bei ihnen zu warten (es gab da Ventilatoren) und so zogen wir 30m weiter. Alles war friedlich und entspannt. Irgendwann holte der Jüngste von ihnen Chips und bot uns welche an. Wir lehnten dankend ab und er fragte mich ein paar Mal etwas hartnäckiger, ob ich nicht wenigstens einen essen wollen würde. Da geschah es! Die Polizei wurde aufmerksam, rief den Jungen zu sich und gaben ihm eine Ohrfeige. Wir waren fassungslos und wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. Der Junge wurde dort festgehalten und später aufgefordert den Bahnhof zu verlassen. Später kam er wieder auf den Bahnsteig aber er durfte uns nicht angucken.

Besorgt um Touristen

Eine Gruppe an Studenten stand nah bei uns und Gunnar fragte diese, was denn gerade passiert sei. Sie erklärten, dass sie es auch nicht ganz verstanden haben, aber es ging wohl darum uns Touristen zu schützen. Da Gunnar lange dort mit den anderen stand, kam ich irgendwann dazu und wir unterhielten uns angeregt zu 5. Irgendwann kam die Polizei auf uns zu und wollte mit einem der Jungs sprechen. Wir bekamen Angst, dass sie auch Ärger wegen uns bekamen, aber die Sorge war zum Glück unbegründet. Die Polizei bat die Jungs lediglich auf unser Gepäck aufzupassen, während wir uns unterhielten.

Keine Zeit für spontane Einladungen

Die drei Männer erzählten, dass sie gerade ihren MBA gemacht haben und jetzt auf Jobsuche sind. Das erklärte ihre guten Englisch Kenntnisse! Sie erzählten, dass sie auch nach Gorakhphur fuhren, da sie dort leben. Sie boten uns auch an, dass wir uns nach der Zugfahrt dort treffen könnten uns sie uns ihre Heimat zeigten und anschließend wieder zum Bahnhof bringen würden. Das war ein tolles Angebot, aber leider mussten wir direkt weiter, um noch gut nach Pokhara zu kommen. Als der Zug irgendwann ankam, verabschiedeten wir uns herzlich voneinander und jeder ging zu seinem Abteil. Wir zeigten unsere Tickets, verstauten das Gepäck, kletterten in die Hüttenschlafsäcke und schliefen fast durch bis zum nächsten Morgen! Frisch und munter sollte nun unser Abenteuer Nepal beginnen!

Über Gunnar

34 Jahre IT-Berater Volleyball Reisen Autos
Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.